Jugend und Schulzeit
Jonas Breitenstein wurde am 22. August 1828 als ältestes Kind des in Ziefen wirkenden, aus Muttenz stammenden Lehrers Hans Heinrich Breitenstein (1805–1880) und der Elisabeth geb. Matt (1806–1883) geboren. Es folgten noch acht weitere Kinder, von welchen zwei bereits kurz nach der Geburt starben. Die stattliche Grösse der Familie und die bescheidene Besoldung des Vaters zwangen zu einem sehr einfachen Lebensstil.
Kindheit in Ziefen
«[…] Was die Kindheit und erste Jugendzeit meines sel. Sohnes betrifft, so kann ich Ihnen aus derselben nur Erfreuliches mittheilen. Es sei jedoch ferne von mir, Rühmen, und in blinder Liebe nur einzelne gute Eigenschaften hervorheben zu wollen; doch das darf ich getrost sagen, Jonas war von Jugend auf immer ein freundliches, gutes u. gehorsames Kind, und Jedermann hatte den Knaben lieb. Er war immer sehr lernbegierig und wendete seine Jugendzeit gut an; man merkte bald, daß in dieser jungen Seele etwas Höheres verborgen lag, das nur ausgebildet werden sollte. Fast 4 Jahre lang besuchte er die Bezirksschule in Liestal, und wendete auch da allen Fleiß an, etwas Rechtes zu lernen. Bald gewann er durch sein artiges Benehmen und sittliches Betragen die Liebe aller seiner Lehrer, und wir vernahmen durch dieselben nur Gutes und Erfreuliches; sie sprachen es auch selbst aus: Wenn wir lauter solche Knaben hätten, wie Jonas, wir könnten uns unseres Amtes freuen, und auch für uns Eltern war das eine nicht geringe Beruhigung. […]» Auszug aus dem Brief von Heinrich Breitenstein sen. an Pfarrer Karl Sartorius am 22. August 1879.
«Wenn der spätere Pfarrer und Dichter den hohen Wert des «Hausens» und Sparens pries und immer wieder das Lob der Genügsamkeit sang, so wusste er aus eigener Anschauung, wovon er redete. Von frühester Jugend an hatte er auch Einblick in die Verhältnisse der Dorfbewohner, die zwar als Bauern ihre Felder bestellten und ihr Vieh hielten, deren Verdienst aber in der Regel nicht ausreichte, um die Existenz der zumeist kinderreichen Familien zu sichern. Daher musste – nicht nur in Ziefen – sondern in fast allen Dörfern des Baselbiets – als zweiter Erwerbszweig – oft war es der wichtigere – die Seidenbandweberei, die Posamenterei, dienen. […] Breitenstein kannte die technischen Details des Webens und der Stühle von Grund auf; hatte er doch in Ziefen eine Zeitlang bei einem posamentierenden Verwandten gewohnt; auch hätte er sich in den Augen der Sachverständigen seiner geschickten Hände wegen gut selber für das Posamentieren geeignet.
Indes, seine Neigungen galten eher geistigen Gebieten.»
Besuch der Bezirksschule in Liestal
Jonas Breitenstein wurde in der Volksschule vom Vater Heinrich Breitenstein im alten Dorfschulhaus, in welchem auch die Familie wohnte, unterrichtet. Bis zu 150 Kinder mussten sich in dieses kleine Haus, welches bis Anfang 1849 als Gesamtschule diente, zwängen. Seine spätere Gemahlin, Theresia Tschopp, Tochter des Tannenwirts in Ziefen, drückte mit ihm dort die Schulbank.
«Nach dem ersten Volksschulunterricht beim Vater besuchte er die Bezirksschule in Liestal; der tägliche Fussmarsch vom Dorf in die Kantonshauptstadt und zurück bewirkte die Kräftigung seiner früher sehr zarten Konstitution.
Da die Bezirksschule keinen Maturabschluss erlaubte, wurde die Absolvierung des Basler Pädagogiums (zweijährige, oberste Stufe des Gymnasiums) unumgänglich. Es war nun der tüchtige und lautere basellandschaftliche Schulinspektor Johannes Kettiger (1802–1869), später Seminardirektor von Wettingen, der es vierzehn aufgeweckten jungen Baselbietern ermöglichte, im Jahre 1846, dreizehn Jahre nach der Kantonstrennung, diese Anstalt und danach die Universität zu besuchen. Unter ihnen befand sich neben Breitenstein auch Martin Birmann (1828–1890), der mit Breitenstein manches gemeinsam hatte.»
Rudolf Suter: Unvergessene Basler Dichter, Basel: GS-Verlag, 1992, S. 9‒10.
Besuch des Pädagogiums in Basel
Da sich die Baselbieter Pädagogianer relativ kurz nach der Kantonstrennung in der Stadt als ‹Fremdlinge› fühlten, schlossen sie sich 1845 im ‹Basellandschäftlerverein›, auch ‹Basellandia› genannt, zusammen, welcher am 6. Juni 1846 zur farbentragenden Verbindung ‹Rauracia› wurde.
Manche Mitglieder dieser Verbindungen wie auch Pädagogiumskameraden blieben Breitenstein zeitlebens in Freundschaft verbunden.
«Die Angehörigen des Nebenkantons durften sich hier [in Basel] keiner Sympathien rühmen; ein umso ehrenvolleres Zeugnis für das Talent und die Verträglichkeit Breitensteins ist die Tatsache, dass er beim Austritt primus omnium war. Seine damaligen Kameraden schildern ihn als eine friedfertige, anspruchslose Natur, ein sonniges Gemüt, geneigt, das Leben mit all seinen Schwierigkeiten von der heitern Seite zu nehmen. Er beobachtete gut und konnte schalkhaft sein. «Sein ganzes Wesen war gediegen, war rein, und jungfräulich errötete er, wenn andere lachten über einem entbehrlichen Scherzwort». (Martin Birmann, Nachruf, in: Basellandschaftliche Zeitung vom 28. und 30.5.1877)
«Den Sinn für Dichtungen und die Dichtergabe selbst brachte Breitenstein gewissermassen auf die Welt mit. An Hebel hatte er schon in jungen Jahren eine ungeheure Freude, er konnte ihn fast auswendig; für seinen jüngeren Bruder war es die höchste Lust, wenn ihm Jonas als Student Gedichte aus Hebel vorsagte. Als Bezirksschüler verfasste er bereits bei allen Anlässen sinnige Gedichte, am liebsten in der Mundart, und jedermann hatte seine Freude daran.
Wenn er von Basel aus mit seinem durch Privatstunden ersparten Gelde dem Vater zum Geburtstag ein bescheidenes Geschenklein machte, ein Pfund guten Tabak, so war die Sendung immer von einem herzigen Gedichtlein begleitet. […] Wackernagel war es, welcher in Breitenstein den künftigen Dichter erkannte und ermunterte. Er war Breitensteins Lieblingslehrer; dieser verdankte ihm weit mehr als nur den gewöhnlichen, so wirksamen Unterricht. «Mein lieber Breitenstein», sagte Wackernagel einst zu ihm, «ich kann nicht begreifen, wie Sie noch dichten können, da Sie sonst so fleissig sind.» Es war in Breitenstein ein innerer Drang, ein Herzensbedürfnis, seinen Empfindungen in dichterischer Form Ausdruck zu geben. Wackernagel hat diesem Trieb die richtigen Formen gewiesen.»
Adolf Socin: Basler Mundart und Basler Dichter, Basler Neujahrsblatt 1896, S 37.